Das Konzept eines Second Brains hat bei mir vor allem dank zwei Methoden grossen Anklang gefunden. Die Methode der Wissensverarbeitung (C.O.D.E.) und dessen Verwaltungsmethode (P.A.R.A.). Beiden Methoden begegnete ich teils in der Schule, teils im Studium. Später habe ich mir das Wissensmanagement intuitiv erschlossen, aber eine methodische Einführung hatte ich nie.

Genau diese Arbeit hat Tiago Forte in seinem Konzept des Second Brains und den damit verbundenen Methoden geleistet. Meines Wissens ist er damit einer der Ersten, der einen bewusst humanistischen Umgang mit dem Informationsüberfluss unserer Gesellschaft entwickelt hat.

In den letzten 12 Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, verschiedenste Apps und deren Bedienungskonzepte zu verstehen, mit der Hoffnung, dass wenn ich Sie verstehe, ich die Software als Wissensmanagement-Tool nutzen kann. Immer wieder bin ich gescheitert: Entweder hat eine Funktion gefehlt oder die Bedienung wurde in sich so komplex (zum Beispiel durch die Nutzung von Tags), dass ich mit der Zeit die Übersicht verlor und mir damit die Lust verging, sie zu nutzen. Meistens endete es damit, dass ich eine nächste, neue Software ausprobierte oder zurück zu einzelnen Word Dateien und Ordnerstrukturen kehrte. Mit der fatalen Folge, dass ich eine Fragmentierung meiner Arbeitsergebnisse produzierte.

All meine Arbeiten aus meiner Schulzeit, meinem Studium, den Projekten und Forschungsarbeiten sind in verschiedenen Apps, unterschiedlichen Ordnern und Dateitypen abgelegt und teils physisch, teils digital auf verschiedenen Festplatten gespeichert. (Vielleicht ist dies ein Grund, warum mich das Thema "Nichtwissen" fasziniert.)

Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Apps und deren Usability hat sich in den letzten Jahren aber auch als ein grosser Erfahrungsschatz erwiesen. Denn ich habe mir dadurch ein vielseitiges Bedien- und Nutzungsverständnis von Softwarelogik erarbeitet, welches ich heute in meine Beratungen und Weiterbildungen einfliessen lassen kann. Was mir in all den Jahren aber immer gefehlt hat, war eine intuitiv anwendbare Methode für mein persönliches Wissensmanagement.

Als ich im September 2020 am Building a Second Brain teilgenommen habe, meinte Tiago in der ersten Session, dass es nicht "die" App für das persönliche Wissensmanagement gibt. Vielmehr denk er, dass es darum geht eine Methode zu nutzen, die es ermöglicht, verschiedene Apps miteinander zu kombinieren. Mit dieser Aussage wurde mir schlagartig bewusst, dass mir in den letzten Jahren genau dieser Perspektivenwechsel gefehlt hat. Dies war ein erstes Schlüsselerlebnis für mich!

Tiago nutzt zwei Methoden: C.O.D.E., das für Capture - Organize - Distill und Express steht.

Und P.A.R.A., welches für Projects - Areas - Resources und Archive steht.

Der letzte Post Meine Erfahrung mit «Building a Second Brain» #1 hat mit den drei Grundschritten Sammeln, Vernetzen und Erschaffen geendet. C.O.D.E ist die Weiterentwicklung dieser drei Grundschritte.

Sammeln, Organisieren, Synthetisieren und Ausdrücken sind vier Arbeitsschritte, die eine Methode der Wissensverarbeitung beschreiben. Setzt man sie konsequent ein, recherchiert und verarbeitet man Information zu einem persönlichen und kontextualisierten Wissen. Kurz, man hat gelernt. SOSA ist eine Methoden, die wir eigentlich aus der Schule oder aus unserem Beruf kennen sollten. Was neu ist, dass diese Arbeitsschritte konsequent mit digitalen Medien umgesetzt werden (1). In unserer Informationsgesellschaft ein Gamechanger.

Sammeln

Wer kennt es nicht, man sieht ein tolles Plakat, man macht ein Foto und hat es in seiner Fotosammlung. Man entdeckt einen spannenden Artikel in einem online Magazin und speichert diesen im Browser oder Pocket. Man hat eine Idee oder einen spannenden Gedanken zu einem Thema, ist aber gerade mit Freunden unterwegs, man versucht ihn sich zu merken oder notiert es in irgendeiner App. Man sammelt und versucht die Information zu Ordnen. Wenn man sie benötigt, erinnert man sich, dass man sie mal gespeichert hat, weiss aber nicht mehr wo.

Apps mit denen ich Informationen sammle

Pocket: In Pockets speichere ich Artikel um sie später zu lesen. An Pocket gefällt mir vor allem, dass ich Artikel aus verschiedenen Diensten speichern kann und später in einer leserfreundlichen Darstellung lesen kann und gleichzeitig interessante Textstellen markieren kann. Meine Textmarkierungen kann ich später exportieren und in neuem Kontext nutzen.

Evernote: In Evernote speichere ich Artikel, die mir wichtig sind. In Evernote wird ein Screenshot des Artikels gespeichert, was mir garantiert, dass mir der Artikel auch dann noch zur Verfügung steht, falls er nicht mehr online sein sollte. Ein anderer Vorteil mit Evernote ist, dass ich Artikel, die hinter einer Paywall sind speichern kann. Und ich habe die Möglichkeit, jede einzelne Seite zu teilen, was mir wiederum ermöglicht einzelne Artikel in anderem Kontext zu vernetzen.

Hypothesis nutze ich zur Markierung von Artikeln, Websites oder Informationen, die ich für meine Arbeit benötige. Zusammen mit Readwise bildet es einen wichtigen Recherche- und Arbeitsablauf in meinem "Second Brain". Dieser Workflow lässt sich in meinem Gastbeitrag nachlesen: Sammeln – Synchronisieren – Synthetisieren: ein Workflow für Wissensarbeiter:innen

Dateien, Texte, Bilder, Grafiken etc.

Dateien, zum Beispiel Artikel, die ich als PDF herunter lade, lege ich in einem Dateiordner ab. Die PDFs lese ich in einem normalen PDF Reader und markiere die wichtigen Textstellen mit dem Markierungsfunktion. Die gelesenen und bearbeiteten Artikel verlinke ich während meines Arbeitsschritt, dem Verdichten. Meine Dateien sind in der Cloud, wodurch mir die einzelnen Dokumente jeder Zeit zur Verfügung stehen und ich sie gut verlinken und/oder freigeben kann. (2)

Fotos

Ich bin privat und auf meinen persönlichen Arbeitsgeräten im Apple Ökosystem. Hier bietet es sich für mich an Apples Fotos zu nutzen.

Skizzen und handschriftliche Notizen

Microsoft OneNote nutze ich im Schulischen Kontext. Fast alle meine Unterrichtsunterlagen habe ich in den letzten fünf Jahren in OneNote umgesetzt und verwaltet. Daneben nutze ich OneNote auch in meiner aktuellen Arbeit zur Projektdokumentationen. Einen Eindruck zu meiner Arbeit in und mit OneNote findet man in meiner öffentlichen Dokumentation meiner Weiterbildungsunterlagen: The ICT-SchoolBox (Info: Die Unterlagen werden nicht mehr aktualisiert). Zudem nutze ich OneNote sehr gerne für handschriftliche Notizen und Skizzen, hierfür ist OneNote, in meinen Augen, eines der besten elektronischen Notizbücher, das Systemübergreifend (Win., Mac, Android) funktioniert.

Organisieren

Das Organisieren und Verwalten meiner gesammelten Informationen findet in meiner Datenablage, RoamResearch und Notion statt. Meine Datenorganisation habe ich mit dem Kennenlernen von P.A.R.A. (Projects, Areas, Resources, Archive) komplett nach dieser Struktur organisiert. Zu diesem Thema findest du in diesem Beitrag weitere Informationen: Meine Erfahrung mit «Building a Second Brain» #3

RoamResearch nutze ich für lose Gedanken und spontane Notizen. Der Start im aktuellen Datum und die bidirektionalen Links sind für schnelle, spontane Gedankenskizzen sehr hilfreich.

Notion ist der zentrale Ort an dem ich meine Arbeit und mein Wissen verwalte. Notions Kombination von Text und Datenbank ist für meine tägliche Arbeit mein Wissenshub.

Ein weiterer Vorteil von Notion ist die Möglichkeit, dass einzelne Datenbanken bzw. Seiten öffentlich geteilt werden können. Zwei Beispiele: Das Konzept für Vernetze dein Gedächtnis und die ict-schulbox.ch, die die Weiterentwicklung des oben verlinkten OneNotes zu den Weiterbildungsunterlagen ist.

Synthetisieren

Meine tägliche konzentrierte Arbeit findet in Notion statt: Sitzungsnotizen, Entwürfe für Projekte, Weiterbildungen, Vorträge und Texte erstelle ich in Notion. Meine Arbeit verwalte ich in einer Datenbank, deren Inhalt ich mir, je nach Bedarf anders darstellen kann. Dies ermöglicht mir Inhalte aus unterschiedlichen Kontexten aufzugreifen, neu zu vernetzen und zu verdichten.

In diesem Arbeitsschritt liegt das grösste Potenzial eines vernetzten Wissensmanagements. Hier können Informationen aus bereits abgeschlossenen Projekten mit neuen Aufgaben verknüpft werden.

Ausdrücken

Eine Aufgabe, ein Projekt oder ein Arbeitsbereich wird in diesem Arbeitsschritt abgeschlossen. Die meisten Ergebnisse schliess ich direkt in Notion ab, wo sie ins Archiv wandern. Mit dem bewussten Abschluss und archivieren organisiere ich mir abgeschlossene Arbeitsergebnisse so, dass ich sie jeder Zeit wieder herholen kann und darin gewonnene Ergebnisse wiederverwenden oder anderen zur Verfügung stellen kann.

Fazit

Ich nutze S.O.S.A. nun rund neun Monaten und bereits nach dieser kurzen Zeit merke ich,

  • dass ich meine Arbeit mit Hilfe der vier Arbeitsschritte besser strukturiere und abschliesse.
  • dass ich gesammelte Informationen und Ergebnisse einfacher finde und neu verknüpfe.
  • dass es mir einfacher fällt, erstellte Ergebnisse zu teilen, weil sie vielfältigere Medien enthalten, strukturierter und Ergebnisorientierter sind.

Es mag euphorisch klingen, aber ich hatte in den letzte fünfzehn Jahren noch nie so stark das Gefühl, dass ich meine gesammelten, organisierten und verdichteten Informationen und Ergebnisse aktiv verwalte.


(1) Damit wird auch deutlich warum es keinen Sinn macht analoge Medien mit digitalen Medien zu verglichen. Jörn Muuß-Merholz verdeutlicht dies wunderbar mit seiner Pinguin-Medienmetapher